Ende

        

Leise nehme ich meine letzten Sachen, bei jedem Geräusch Angst, dass du nach Hause kommen könntest. Den Schlüssel lege ich auf deinen kleinen Schrank im Flur, ich öffne die Haustür, ein letzter Blick zurück. All das Vertraute, dein Geruch, der mir noch in der Nase liegt. Mit einem einzigen Blick versuche ich jeden Moment in meinem Kopf zu speichern, meine Kehle schnürt sich zusammen. Ich schließe die Tür, gehe hinaus in die kalte Welt. Mit jedem Schritt wird mein Gang schneller, die Tränen versuchen sich einen Weg aus den Augen zu bannen. Ich zittere, aber ich bemerke es nicht einmal. Meine Gedanken laufen Amok, die letzten Tage ziehen vor meinen Augen noch mal an mir vorbei.

Ich bin allein zuhause, es klingelt an der Tür. Für einen Moment überlege ich, ob ich mich wirklich aus dem warmen, kuscheligen Bett herausbewege, aber mit einem Seufzen stehe ich auf, laufe die Treppen hinunter, öffne die Tür. Jeden hätte ich in diesem Moment vor meiner Haustür erwartet, aber nicht Dich. Du stehst dort, dein Gesicht eingefroren vor Agressivität. Ich will die Tür zuschlagen, aber schon hast du deinen Fuß dazwischen, stösst sie mir entgegen, schließt sie hinter Dir. Was du hier willst, frage ich dich, mein Herz klopft. “Mit dir reden” und schon schubst du mich durch die nächste Tür, ich gehe die Treppen zur Wohnung wieder hinauf. Der blanke Hass in deinen Augen lässt meine Angst wieder Oberhand gewinnen. Du brüllst mich an, fragst, wie ich es wagen konnte, einfach zu gehen. Ich schreie zurück, werde wütend auf dich, dass du mir Vorwürfe machst, wo du derjenige warst, der mir den Stich ins Herz verpasste. Irgendwann wird deine Stimme wärmer, das brüllen leiser. Du setzt dich aufs Bett, ziehst mich zu dir, nimmst meine Hand. Die Situation hat sich von der einen auf die andere Sekunde geändert, du bist plötzlich nicht mehr sauer, sondern so liebenswürdig, schon fast verletzbar. “Ich brauche Dich, ich will dich zurück”, diese Worte klingen noch Stunden später in meinen Ohren wieder. Ich habe dir gesagt, dass ich Zeit brauche, nicht weiß, ob all die Liebe zu dir reicht, um es noch mal zu versuchen, zuviel ist passiert, mit dem ich nicht klar kam. Du hast mich unzählige Male verletzt, dich immer wieder entschuldigt, aber nie geändert. “Ich denke darüber nach, lass mir Zeit, ich brauche Abstand.” Vielleicht hast du diese Worte gar nicht hören wollen, denn du tust so, als wären sie nie gesagt worden. Du küsst mich, all das zärtliche in deinen Augen, in deiner Stimme ist wieder verschwunden. Du sagst, ich solle morgen zu dir kommen, gibst mir den Schlüssel zurück, den ich am Vortag bei dir gelassen hatte. Ohne dich umzuschauen gehst du die Treppen hinunter, schließt die Tür, ich höre dein Auto, wie es wegfährt.
Sekunden, die mir wie Stunden vorkommen. Ich sitze auf meinem Bett, wieder allein. Ich weiß nicht, ob ich all das kann, ich hatte dich doch gestern verlassen. Lange hatte ich drüber nachgedacht, Angst gehabt, wie du reagieren würdest. Die Erinnerungen, deinen Duft, unsere gemeinsame Zeit wie einen Schwamm aufgesogen und war bereit, ohne dich zu sein. Aber du verstehst es nicht. Ich schließe die Augen, kaum merklich tropft die Träne von meinem Gesicht.

Lange denke ich darüber nach, ob ich es wirklich tun soll. Aber ich stehe schon hier, die Schuhe an den Füßen, die Tasche in der Hand, meine Beine brauchen nur noch den letzten Schubs, um loszugehen.
Ich stehe vor deiner Tür, den Schlüssel in der Hand. Ich schaue ihn an, lasse ihn wieder in meine Tasche gleiten, vorsichtig drücke ich auf die Klingel. Du öffnest die Tür, fragst mich, wieso ich nicht einfach aufschließe. Aber ich gebe dir keine Antwort, den ich weiß es selber nicht. Ich stehe in dieser Wohnung, meine Gedanken überschlagen sich. Vorgestern dachte ich, es wäre der letzte Blick auf all das Vertraute und nun stehe ich wieder hier, es war wieder nur ein Abschied auf Zeit. Langsam komme ich wieder an, für einen Moment war wirklich alles wieder gut. Doch irgendwann ist es wieder soweit. Die Zärtlichkeit weicht Schmerzen, deine warme Stimme wird aggressiv. Du schreist mich an, wieder und wieder. Du hebst deine Hand, ich zucke zurück. Meine Wange ist heiß, ich taumel zu Boden.

Ich sitze auf dem Bett, greife mein Shirt, stopfe es zu den anderen Sachen, die schon in der Tasche liegen. Mein Blick gesenkt, ich muss mich zusammen reißen, keine Schwäche zu zeigen. Du kommst zur Tür herein und setzt dich neben mich. Ich versuche das nächste Kleidungsstück zu nehmen, aber du hinderst mich daran. Dein Blick ist kühl, deine Stimme scharf: “Das kannst du nicht tun.” Ich weiß, dass ich es nicht kann. Mein Herz, mein Bauch, sie wehren sich dagegen. Aber irgendwann kommt die Zeit, in der man auf seinen Kopf hören muss. Ich antworte dir, dass ich es nicht mehr ertragen kann, du stehst auf, greifst dir das Weinglas, wirfst es zu Boden. Das klirren des zerbrochenem Glas geht in dein Brüllen über. Ich stehe auf und nehme meine Tasche. Du schlägst sie mir aus der Hand und wieder wird meine Wange heiß, ich verspüre Schmerz. Die Träne läuft über mein Gesicht, aber es ist dir egal. Du schreist, du brüllst, schubst mich zurück auf dein Bett, die Decke noch zerwühlt, weil wir vor ein paar Stunden noch darin schliefen. Ich versuche wieder aufzustehen, aber der erneute Schmerz hindert mich daran, wieder und wieder. Du hörst nicht auf mich anzuschreien, ich schaffe es, aufzustehen, gehe ein paar Schritte vom Bett weg und falle durch einen harten Schlag gegen die Tür.
Irgendwann hast du aufgehört. Du sitzt jetzt auf dem Bett, sagst nichts mehr. Das letzte Mal nehme ich meine Tasche, schaue dich ein letztes Mal an, gehe durch die Tür. Die Dunkelheit verbirgt meine Tränen, da klingelt mein Handy. Ich nehme nicht ab, ich weiß, dass du es bist. Ich stehe an der Haltestelle und atme durch. Nach langem fühle ich mich wieder frei, auch wenn mein Herz mir das Gegenteil beweisen will. Es ist vorbei, viel zu spät vielleicht, aber es hat ein Ende.
Es war ein letzter Kampf, Vernunft gegen Gefühl, doch der Bessere hat gesiegt. Meine blauen Flecke werden mich noch an dich erinnern, aber sie werden verblassen und irgendwann verschwinden. Die blauen Flecke im Herzen bleiben bestehen. Ich steige in den Bus, steige aus, laufe durch die Nacht, bis ich in meinem Bett angekommen bin. Es ist wie in Trance, ich nehme nichts wahr, aber ich fühle mich gut. Ich habe dich verlassen, endgültig. Der Albtraum ist vorbei.