Alles. Oder nichts.

        

Ein kurzer Klick, 2 Minuten lang scrollen, hier liken, dort ein Herz verteilen. Kamera Symbol auf, Schnappschuss gemacht, vielleicht noch kurz durch Lightroom schicken, 2 Sätze drunter, posten. Das Online Leben ist schnell lebig, es besteht aus ein paar Fotos, ein paar Tweets, Follower und Likes. Vorbei sind die Zeiten, als es noch Blogger und nicht Influencer hieß, als man noch die schwere Spiegelreflexkamera von A nach B schleppte, sorgfältig Fotos sortiert hat und einen ellenlangen Post geschrieben hat. Auf dem Blog. Auf der Website. Als man Stunden damit verbrachte, ein neues Layout zu erstellen, Tag und Nacht über Photoshop saß und noch länger, um sämtliche Codes zu schreiben, damit all das ein schickes Design für seine eigene kleine Internet Plattform abgibt.
Es begann vielleicht bei Knuddels, die ersten Versuche eine Seite zu erstellen. Dann gab es Oyla und die Szene wuchs. Woche für Woche tüftelte man an neuen Layouts, bot sogar Fertige für Andere an. Man verlinkte sich gegenseitig, schrieb sich ins Gästebuch, später kommentierte man über Cutenews, bis irgendwann WordPress kam. Einige hörten auf, andere machten weiter. Es wurde persönlicher, hier Rezepte, dort Daily Blogs. Man wurde älter, das Thema Datenschutz wuchs. Die Anforderungen auch. Nur die Zeit, die wurde kürzer. Und irgendwann, da wurde es still. Ein paar Hartgesottene schrieben, bloggten und hielten ihre Seite am Laufen. Die Meisten verschwanden. Man las sich auf Twitter, auf Instagram und irgendwann war es vorbei. So auch bei mir. Jahrelang stand der Blog still. Eine leise Erinnerung an das, was jahrelang ein fester Bestandteil war. Erinnerungen, Momente, Fotos, das pure Leben. Es fühlte sich nicht mehr richtig an, die Zeit wurde anders genutzt. Ab und zu loggte man sich ein und immer mehr Blogpostings verschwanden. Zu persönlich. Und doch war genau das etwas, was mir immer am Herzen lag. Ungefiltert schreiben, Momente teilen, quasi die Seele ins Internet stellen. Vieles würde ich im Nachhinein nicht mehr machen. Anderes schon. Durch diese Zeit habe ich so viele liebe Menschen kennengelernt, Viele folgen mir schon, da war es mit meinem Mann noch ganz frisch. Ihr habt die Anfänge einer Beziehung mitbekommen, die aufregende Zeit, bis wir das erste Mal Eltern wurden. Wir haben geheiratet, wir bekamen unser zweites Kind. Viel habe ich hier geteilt, viel habe ich durch diese Zeit mitgenommen und gelernt. Jahre später kam dann schleichend dieser Gedanke: Wozu das ganze noch online lassen? So viele fremde Menschen können über unser Leben lesen. Ist das gut? Sollte nicht all das privat sein? Die Antwort: Natürlich sollte es das. Und so kam der Gedanke, all das zu löschen. Auszuradieren. Der Entschluss stand und als ich mich das letzte Mal einloggte, war es auf einmal bitter. Ein Teil meines Lebens, so viel Liebe steckt hier drin. Kann ich das mit einem Klick verschwinden lassen? Ich bringe es nicht übers Herz. Schreiben hat mir immer geholfen. Meine Gefühle ausdrücken kann ich am besten auf Papier, es tut gut, einfach drauflos zu tippen und keine Ahnung zu haben, wo es hinführen wird. Die Social Media Welt ist groß, Niemand hat mehr Zeit für mehr als ein paar Wörter, manchmal möchte man auch gar nicht mehr teilen. Vor der Kamera stehen und drauflos zu reden, war nie meins. Ich bin still, zu still, um einfach Story für Story zu posten. Selbst Sprachnachrichten gibt es bei mir nie. Mein Ding waren immer Fotos und Texte. Vielleicht fällt es mir deswegen so schwer, all das hier aufzugeben. Meinen kleinen Schatz voller Wörter und Erinnerungen aufzugeben. Vielleicht werde ich in ein paar Tagen, Wochen, Monaten den Löschbutton drücken. Vielleicht auch nicht.

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